Patient mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) hält einen Säugling im Arm

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

Eine seltene, chronische Erkrankung des blutbildenden Systems

Suche, blaues Icon

Was ist PNH?

Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), erstmals im Jahr 1882 von Paul Strübing beschrieben, ist durch eine chronische komplementvermittelte Hämolyse gekennzeichnet. Hierbei löst das Komplementsystem, ein Teil des Immunsystems, die Zerstörung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) aus. Bei gesunden Personen verhindern spezielle Schutzproteine auf den roten Blutkörperchen den Angriff durch das Komplementsystem. Bei PNH-Patient:innen sind diese Schutzproteine nicht oder nur teilweise vorhanden.

paroxysmal: anfallsartig auftretend
nächtlich: in der Nacht auftretend
Hämoglobinurie: Ausscheidung des Blutfarbstoffs Hämoglobin über den Urin

Die Bezeichnung paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie ist jedoch in mehreren Punkten irreführend: PNH tritt nicht anfallsartig auf, tatsächlich findet der destruktive Krankheitsprozess ständig (chronisch) statt. Entgegen der ursprünglichen Annahme weiß man mittlerweile, dass die hämolytische Zerstörung der roten Blutkörperchen nicht nur nachts, sondern auch tagsüber auftritt. Die Hämoglobinurie ist bei der Erstdiagnose nur bei ca. einem Viertel aller PNH-Patient:innen nachweisbar.

Häufigkeit der Erkrankung

PNH ist eine sehr seltene Erkankung. Die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie wird bis auf ca. 16 Fälle pro 1 Million Einwohner:innen geschätzt (Großbritannien und Frankreich)ref_Schubert_2024. Jedes Jahr wird bei etwa 1,3 pro 1 Million Einwohner:innen eine PNH neudiagnostiziert (Inzidenz).ref_Schubert_2024 Für Prävalenz und Inzidenz der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie in Deutschland liegen keine verlässlichen epidemiologischen Daten vor. Aufgrund ihrer klinischen Heterogenität ist davon auszugehen, dass die PNH deutlich „unterdiagnostiziert“ ist.

Erkrankungsalter

PNH kann in jedem Alter – auch bei Kindern – auftreten. Am häufigsten wird die Erkrankung zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr diagnostiziert. Es handelt sich um eine erworbene Erkrankung, die nicht vererbt wird. PNH ist zudem nicht ansteckend.

Geschlecht

PNH tritt geschlechtsunspezifisch auf, Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen.


PNH erklärt

Was ist eigentlich die PNH und wieso ist der Name der Erkrankung so irreführend? Was sind die Symptome der seltenen Krankheit und wie kann man damit umgehen?

Diese und weitere Fragen beantwortet Alex, unser Experte für seltene Erkrankungen, in diesem Video.

Wie kommt es zu einer Zerstörung der roten Blutkörperchen bei PNH?

Gesunde rote Blutkörperchen sind durch Schutzproteine vor Angriffen des Komplementsystems geschützt während Blutkörperchen ohne Schutzproteine dabei zerstört werden (Hämolyse).
Gesunde rote Blutkörperchen besitzen auf der Zelloberfläche Schutzproteine, die sie vor Angriffen des Komplementsystems schützen. 
Bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie verändert sich im Laufe des Lebens das Gen PIG-A bei einer oder mehreren blutbildenden Stammzellen. Durch diese Mutation geht die wichtige Schutzstruktur auf der Zellenoberfläche verloren und die ungeschützten Blutkörperchen werden vom Komplementsystem zerstört. Diesen Vorgang bezeichnet man als chronische Hämolyse.

Klinisches Bild

Hämolyse: Rote Blutkörperchen lösen sich auf

Hämolyse

Zerstörung und Verminderung der roten Blutkörperchen
Trombophilie: Blutkörperchen und Blutplättchen bilden ein Blutgerinnsel

Thrombophilie

Neigung zu Blutgerinnseln in Blutgefäßen 
Zytopenie: durchgestrichene rote und weiße Blutkörperchen und Blutplättchen

Zytopenie

Verringerung der Anzahl roter, weißer Blutkörperchen und/oder Blutplättchen
Die Hämolyse führt zur Zerstörung und Verminderung der roten Blutkörperchen. Sie bedingt eine verstärkte Thrombose-Neigung. Zudem kann auch ein Mangel an weißen Blutkörperchen und/oder Blutplättchen auftreten.

Symptome

Patientin mit Bauchschmerzen

Bauchschmerzen

Patient und durchgestrichenes Besteck, symbolisch für Probleme beim Schlucken

Probleme/Störung Schluckvorgang

Patient, der unter sexueller Dysfunktion leidet

Erektionsstörung

Schwer erschöpfter Patient mit hängendem Kopf

Schwere Abgeschlagenheit/ Erschöpfung

Patientin mit Hämoglobin im Urin

Ausscheidung von Hämoglobin mit dem Harn

Patientin, die unter Atemnot leidet

Atemnot

Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie kann mit einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome und Komplikationen einhergehen.

Dazu gehören:

  • Bauchschmerzen
  • Schluckbeschwerden
  • starke Abgeschlagenheit und Erschöpfung (Fatigue)
  • Thrombosen (Blutgerinnsel)
  • Brustschmerzen
  • Kurzatmigkeit und Atemnot
  • Erektionsstörungen
  • Dunkelfärbung des Urins durch die Hämoglobin-Ausscheidung mit dem Harn. 

Die Ausprägung und Kombination der einzelnen Symptome können von Patient:in zu Patient:in verschieden sein und sich im Krankheitsverlauf verändern.

Komplikationen

Thrombose: Blutgerinnsel verengen ein Gefäß

Thrombosen

Patient mit Nierenbeschwerden

Chronische Nierenerkrankung

PNH-Patient steht außerhalb einer Menschenmenge, symbolisch für eingeschränkte Lebensqualität

Eingeschränkte Lebensqualität

Patientin, die unter Blutarmut leidet

Blutarmut 

Erfolgt keine Behandlung der PNH, kann sie ernsthafte gesundheitliche Folgen wie schwere Nierenschäden oder die Bildung von Blutgerinnseln nach sich ziehen. Komplikationen wie Thrombosen können wiederum Organe wie Leber, Lunge und Gehirn schädigen. Außerdem berichten viele PNH-Patient:innen über starke Einschränkungen ihrer Lebensqualität.

Wie wird die PNH diagnostiziert?

Für die Diagnose einer PNH reicht eine Blutentnahme. Die durchflusszytometrische Untersuchung dieser Blutprobe ist heute der Standard der PNH-Diagnostik. Bei dieser Methode lässt man Zellen des Blutes durch eine Messkammer fließen und nutzt fluoreszierende Antikörper, mit deren Hilfe die Schutzproteine oder eben deren Fehlen auf den Blutzellen nachgewiesen werden können. 

Behandlung der PNH

PNH ist in den meisten Fällen nicht heilbar (Mutation im PIG-A Gen), aber die Zerstörung der roten Blutkörperchen durch das Komplementsystem kann unterbunden werden. Aufgrund großer medizinischer Fortschritte in der Behandlung lässt sich die Erkrankung heutzutage gut kontrollieren. Bei einer adäquaten therapeutischen Versorgung ist bei PNH-Patient:innen von einer normalen Lebenserwartung auszugehen. 

Die Therapiemaßnahmen können je nach Patient:in unterschiedlich sein. Welche Behandlungsmöglichkeit geeignet ist, hängt vom Einzelfall ab.
Grundsätzlich kommen drei Behandlungsansätze infrage.

Hemmung des Komplementsystems

Infusionen mit sogenannten Komplementinhibitoren – künstlich hergestellten Antikörpern – können die fehlerhafte Reaktion des Komplementsystems hemmen und damit die hämolytische Aktivität kontrollieren, die zur übermäßigen Zerstörung von Blutzellen führt. Die Komplementinhibition stellt nach aktuellem Forschungsstand den einzigen zielgerichteten medikamentösen Behandlungsansatz dar und ist der Therapiestandard in der PNH.

Unterstützende Behandlungen

Supportive Therapiemethoden wie beispielsweise Bluttransfusionen oder bestimmte blutverdünnende Medikamente können die PNH nicht heilen, aber zur Unterstützung dienen.

Stammzelltransplantation

Eine allogene Stammzelltransplantation bietet als einzige Behandlungsoption die Chance auf eine dauerhafte Heilung der PNH. Aufgrund der hohen gesundheitlichen Risiken wird das Verfahren nur bei sehr wenigen PNH-Patient:innen in Erwägung gezogen.

 

Victors Geschichte

2004, als junger Mann, erhält Victor die Diagnose PNH. Die Videos zeigen, wie Victor in den ersten Jahren mit der Erkrankung umgeht und wie sein Leben mit PNH heute aussieht. 

LEBEN MIT PNH

Auswirkungen auf den Alltag betroffener Patient:innen

Eine chronische Erkrankung bringt immer eine Reihe von Veränderungen mit sich – nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für das persönliche Umfeld. 
Wichtig für Patient:innen ist, so aktiv wie möglich zu bleiben. Mit guter Planung und detailliertem Behandlungsmanagement in Abstimmung auf die persönlichen Bedürfnisse und etwaige Einschränkungen können Menschen mit PNH weiterhin am Berufsleben teilnehmen, Freizeitaktivitäten genießen und Reisen unternehmen. 
Erleichterung im Umgang mit der Erkrankung bringt das Führen eines Symptomtagebuchs. So lassen sich Veränderungen in der Symptomatik erkennen und frühzeitig mit der/m behandelnden Ärztin/Arzt besprechen.  

Download Patiententagebuch

Neben dem privaten Sozialleben hilft vielen Patient:innen auch der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbstgruppen und -Foren. Falls notwendig, kann eine psychologische Betreuung eine gute Unterstützung darstellen. 

FAQ

Wie ist die Lebenserwartung bei PNH?

PNH Lebenserwartung

Aufgrund der heutzutage guten therapeutischen Versorgung ist bei PNH-Patient:innen von einer annähernd normalen Lebenserwartung auszugehen.

Welche Behandlung erfolgt bei PNH?

PNH Behandlung

Welche Therapie bei PNH-Patient:innen infrage kommt, hängt von jeweiligen Einzelfall ab. Im Wesentlichen stehen drei Behandlungsoptionen zur Verfügung. Mithilfe künstlich hergestellter Antikörper (Komplementinhibitoren) können Fehlreaktionen des Komplementsystems gehemmt werden. Diverse supportive Maßnahmen, z.B. Bluttransfusionen und die Gabe blutverdünnender Medikamente, tragen zur Symptomlinderung bei. Die einzige Chance auf dauerhafte Heilung bietet eine allogene Stammzelltransplantation, die aufgrund der gesundheitlichen Risiken jedoch nur selten vorgenommen wird.

Welche Symptome treten bei PNH auf?

PNH Symptome

PNH kann sich durch verschiedene unspezifische Symptome äußern. Ausprägung und Kombination können eder/m Patientin/Patienten anders sein und im Krankheitsverlauf variieren. Die meisten Patient:innen leiden unter schwerer Erschöpfung und Abgeschlagenheit. Mögliche Symptome bei PNH sind zudem Bauch-, Brust und Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Schluckbeschwerden, Erektionsstörungen und eine Dunkelfärbung des Urins.

Was sind die Ursachen einer PNH?

PNH Ursache

Die PNH wird durch eine Mutation auf dem PIG-A-Gen verursacht, durch die es zum Fehlen von Schutzproteinen auf den roten Blutkörperchen kommt. Die Blutkörperchen können sich nicht mehr vor dem Komplementsystem schützen und werden davon angegriffen und zerstört.

Was sind die Ursachen einer Hämoglobinurie?

Hämoglobinurie Ursachen

Bei PNH-Patient:innen werden die roten Blutkörperchen vom Komplemensystem angegriffen und zerstört.  Dabei wird roter Blutfarbstoff (Hämoglobin) freigesetzt und es kann zu dessen Ausscheiden im Urin kommen (Hämoglobinurie).

Glossar

Durchflusszytometrie Messmethode zur Analyse von Zellen
Epidemiologie Lehre der Verbreitung von Krankheiten
Erythrozyten Rote Blutkörperchen. Sie sind Hauptbestandteil des Blutes und transportieren Sauerstoff von der Lunge zu den Geweben.
Fatigue Zustand chronischer Müdigkeit und Abgeschlagenheit oder krankhafter Erschöpfung, unter dem Patienten mit Erkrankungen des Blutes häufig leiden. 
Hämolyse Auflösung der Erythrozyten durch Zerstörung der Zellmembran
Heterogenität Uneinheitlichkeit
Inzidenz An einer Erkrankung neudiagnostizierte Patienten, bezogen auf einen Zeitraum. 
Komplementsystem Teil des Immunsystems, der Antikörper und anderen Immunzellen dabei hilft, potenzielle Bedrohungen im menschlichen Körper zu bekämpfen und dadurch Schäden zu verhindern.
paroxysmal Anfallsartig auftretend
Prävalenz Häufigkeit einer Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt
Thrombose  Bildung oder Entwicklung eines Blutgerinnsels, das das Blutgefäß verschließt. Kann mit starken Schmerzen einhergehen.  
Thrombophilie Neigung zu Blutgerinnseln in den Blutgefäßen
Zytopenie Verringerung der Anzahl roter, weißer Blutkörperchen und/oder Blutplättchen

Sie werden bevorzugt per Telefon kontaktiert?

* Pflichtfelder