Was ist Hypophosphatasie (HPP)?
Hypophosphatasie (ausgesprochen Hü-po-fos-fa-ta-sie) oder kurz HPP ist eine erbliche Systemerkrankung, die sich auf Knochen und andere Körperfunktionen auswirkt. Patient:innen mit Hypophosphatasie haben Probleme, stabile Knochen zu bilden und leiden oft an Muskel- und Gelenkschmerzen sowie an Muskelschwäche. Symptome können zudem an Zähnen und Nieren auftreten, bei Säuglingen können auch Lunge und Gehirn betroffen sein.
HPP ist eine seltene Erkrankung. Sie kann alle Geschlechter jeder Altersgruppe, vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter, treffen. Bei einigen HPP-Patient:innen wird die Diagnose bereits in der Kindheit gestellt, bei anderen erst im Erwachsenenalter (obwohl die Beschwerden möglicherweise schon im Kindesalter auftraten).
Hypophosphatasie kann mit anderen Erkrankungen, die ähnliche Symptome haben, wie z.B. Rheuma, Fibromyalgie oder Osteoporose, verwechselt werden. Deshalb dauert es leider oft länger, bis HPP diagnostiziert wird.
HPP ist nicht heilbar, aber behandelbar. Je nach vorliegender Symptomatik stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung.
Welche Symptome treten bei HPP auf?
Hypophosphatasie kann sich anhand verschiedener Symptome äußern. Sie können von Patient:in zu Patient:in variieren und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Im Krankheitsverlauf können neue Symptome hinzukommen und sich verschlimmern.
Die Erkrankung kann sich an Knochen oder Zähnen bemerkbar machen, aber auch Probleme in Muskeln, Gelenken, Lunge, Gehirn, Nieren und Magen-Darm-System verursachen. Sie kann zudem mit Fatique, Depressionen und Schmerzen einhergehen. Da HPP viele unterschiedliche Symptome hervorrufen kann, sind sich viele Erkrankte gar nicht bewusst, dass alle ihre Beschwerden ein und derselben Erkrankung zuzuordnen sind.
Symptom-Checkliste
Herausforderungen im Alltag
Aktivitäten, die für HPP-Patient:innen schwierig sein können:
Wie wird Hypophosphatasie (HPP) diagnostiziert?
Die Erkrankung ist sehr komplex und kann zahlreiche Beschwerden verursachen. Die Diagnose ist aber relativ einfach, wenn man an die Krankheit denkt.
Der erste Schritt bei einer HPP-Diagnose ist die Dokumentation der sichtbaren Krankheitsanzeichen und Symptome. Dabei hilft es den behandelnden Mediziner:innen, wenn Patient:innen alle bereits festgestellten Symptome nennen (Anamnese). Auch Beschwerden und gesundheitliche Probleme aus der Kindheit können für die Diagnosestellung relevant sein.
Bluttest zur Bestimmung des AP-Werts
Je nach Alter variiert der AP-Wert – sowohl bei gesunden Menschen als auch bei Menschen mit HPP. Bei gesunden Kleinkindern, Kindern und Heranwachsenden beispielsweise ist der AP-Wert höher, da sie sich im Gegensatz zu Erwachsenen noch im Wachstum befinden und mehr alkalische Phosphatase für den Knochenaufbau benötigen. Ob der vorliegende AP-Wert im Normbereich für das jeweilige Alter und Geschlecht liegt, kann eine ärztliche Fachkraft anhand der Testergebnisse beurteilen.


Gentest zur Identifizierung von Mutationen
Da es sich bei Hypophosphatasie um eine Erbkrankheit handelt, ist das Risiko erhöht, dass auch andere Familienmitglieder betroffen sind. Wenn eine Person an HPP erkrankt ist, sollten auch die Angehörigen mit einer ärztlichen Fachkraft sprechen und sich auf HPP testen lassen.
Die Angaben dienen ausschließlich als Information und ersetzen keine ärztliche oder klinische Diagnose und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Häufige Fehldiagnosen
Der Weg zur Diagnose kann lang sein, da Hypophosphatasie selten ist und oftmals mit anderen Krankheiten verwechselt wird. Mit welch unterschiedlichen Symptomen sich HPP auswirken kann, zeigt das nebenstehende Schaubild.
Viele dieser Krankheitszeichen wie beispielsweise häufige Knochenbrüche, Muskelschmerzen oder vorzeitiger Zahnausfall können ebenso auf andere, häufiger vorkommende Erkrankungen hindeuten, wie zum Beispiel Osteoporose, Arthrose, rheumatische Erkrankungen, Fibromyalgie oder psychosomatische Störungen.
Ursachen und Auswirkungen von HPP
Bei HPP-Patient:innen funktioniert das Enzym alkalische Phosphatase (AP) nicht richtig. Grund dafür ist ein Fehler im Bauplan (Gen) der AP. Dieser Fehler kann vererbt werden, HPP ist also eine Erbkrankheit.
Die alkalische Phosphatase ist ein Enzym, das dafür sorgt, dass die Mineralstoffe Kalzium und Phosphat in die Knochen eingebaut werden können und so stabile und gesunde Knochen entstehen. Ist die AP fehlerhaft oder nicht ausreichend aktiv, sind die Knochen oft instabil. Außerdem können sich die Vorläufersubstanzen (Kalzium und/oder Phosphatverbindungen) in anderen Organen wie z.B. Gelenken oder den Nieren ansammeln und dort Probleme oder Schmerzen verursachen.


Behandlungsmöglichkeiten bei HPP
Hypophosphatasie ist nicht heilbar, aber behandelbar. Je nach Ausprägung der Symptome haben Ärzt:innen bzw. Zahnärzt:innen verschiedene Behandlungsoptionen wie zum Beispiel:
- Verschreibung von Medikamenten gegen Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen.
- Beratung mit orthopädischer Chirurgie, ob sich schwache bzw. weiche Knochen durch Operationen stabilisieren lassen könnten.
- Empfehlung einer geeigneten Zahnpflege, um Zähne und Zahnfleisch gesund zu halten.
- Manchen Patient:innen kann mit einer Enzymersatztherapie geholfen werden. Das bedeutet, dass die alkalische Phosphatase (AP), die bei Menschen mit HPP nicht richtig funktioniert, ersetzt werden kann.
Welche medizinischen Fachrichtungen können für HPP-Patient:innen wichtig sein?
Da HPP eine Systemerkrankung ist, bedarf es in der Regel mehrerer Spezialist:innen, um Patient:innen optimal behandeln zu können. Folgende Fachrichtungen sollten je nach Symptomen aufgesucht werden:
- Osteologie
- Endokrinologie
- Rheumatologie
- Pädiatrische Endokrinologie
- Pädiatrische Rheumatologie
Zur Vorbereitung auf Arzttermine stehen für Patient:innen zwei hilfreiche Materialien zum Herunterladen bereit:
• Mit dem HPP-Diskussionsleitfaden steht ein Fragenkatalog zur Verfügung, in dem Patient:innen vorab festhalten können, was Sie mit der ärztlichen Fachkraft besprechen möchten.
Glossar
Alkalische Phosphatase (AP) | Enzym, das Phosphatgruppen von Molekülen entfernt und eine wichtige Rolle im Phosphatstoffwechsel spielt. |
Arthrose | Schmerzhafte Gelenkerkrankung, der eine irreversible Schädigung der Gelenkknorpel, z.B. häufig durch dauerhafte Beanspruchung oder Fehlbelastung, zugrunde liegt. |
Bisphosphonate | Arzneimittel zur Behandlung von Knochenerkrankungen wie z.B. Osteoporose. Bei HPP sollten diese Medikamente nicht eingesetzt werden. |
Enzyme | Eiweißstoffe, die für den Ablauf von Stoffwechselvorgängen unerlässlich sind. |
Systemerkrankung | Erkrankung, die mehrere Organsysteme betrifft. |
Osteoporose |
Erkrankung, bei der verstärkt Knochensubstanz abgebaut wird, wodurch die Knochen zunehmend porös und brüchig werden. Tritt vermehrt im Alter auf. |
Rheuma | Oberbegriff für verschiedene entzündliche Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates. |
Stoffwechselerkrankung | Oberbegriff für Erkrankungen, bei denen die Verwertung einzelner Substanzen aus der Nahrung nicht richtig funktioniert oder Nährstoffe nicht dort ankommen, wo sie benötigt werden. |
FAQ
Der Verlauf der HPP ist variabel und kann sowohl Männer und Frauen jeden Alters, als auch Kinder oder Säuglinge betreffen. Charakteristische Symptome der HPP können sein:
- Früher Zahnverlust der Milch- und auch der bleibenden Zähne, Karies und Parodontose
- Krampfanfälle und Atemversagen bei Säuglingen
- Verringerte Nierenfunktion
- Häufige Knochenbrüche, schlecht heilende Brüche
- Schmerzen in Knochen, Gelenken und Muskeln
- Kleinwuchs, verzögertes Wachstum
- Störungen der Mobilität
Da HPP eine Multisystemerkrankung ist, bedarf es in der Regel mehrerer Spezialist:innen, um den Patient:innen optimal behandeln zu können. Spezialist:innen nachfolgender Fachrichtungen sollten je nach Symptomen aufgesucht werden:
- Osteologie
- Endokrinologie
- Rheumatologie
- Pädiatrische Endokrinologie
- Pädiatrische Rheumatologie
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Weiterführende Inhalte zu HPP
Referenzen:
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