Patientin mit einer Komplementerkrankung und dem Alexion-Abzeichen "30 Jahre kompetent im Komplement"

Komplementerkrankungen

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Anwendungsbeschreibung

Komplementerkrankungen

Defekte im Komplementsystem

Komplementerkrankungen zählen zu den seltenen Erkrankungen (Engl.: rare or orphan diseases). Verursacht werden sie durch eine fehlerhafte Aktivierung oder verschiedene Defekte im Komplementsystem, einem Teil der angeborenen körpereigenen Immunabwehr.1

 

Komplementerkrankungen …

 

 

  • entstehen, da die fein regulierte Steuerung des Komplementsystems an verschiedenen Stellen gestört sein kann. 6,7
  • sind aufgrund unspezifischer Symptome meist schwer zu erkennen.
Folgen eines fehlregulierten Komplementsystems: Verminderte Immunabwehr, Verminderter Schutz körpereigener Zellen, Autoimmunerkrankungen
Anwendungsbeschreibung

Wissenswertes

Zahlen und Fakten zu Komplementerkrankungen

  • Komplementdefekte können angeboren (primär) oder erworben (sekundär) sein, wobei angeborene Störungen selten auftreten.2
  • Komplementerkrankungen machen ca. 4 bis 5 % der primären Immundefekte aus.3
  • Je nach Komplementdefekt können Kinder und Erwachsene betroffen sein.4
  • Komplementerkrankungen können mit schwerwiegenden Symptomen einhergehen.4
  • Patienten mit einer Komplementerkrankung warten zum Teil mehrere Jahre auf die korrekte Diagnose.5

Infoblatt Komplementerkrankungen
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Das komplementsystem

Bestandteil des körpereigenen Immunsystems

Das Komplementsystem, ein Netzwerk aus zahlreichen Proteinen, bildet einen wichtigen Mechanismus zum Selbstschutz des menschlichen Körpers. Als Teil der Immunabwehr ist es ab der Geburt aktiv. Damit erfüllt es bereits in der frühkindlichen Phase, der sogenannten Präimmunphase, eine wichtige Schutzfunktion, bevor die Antikörperbildung beginnt.6

Zu den Funktionen des Komplementsystems gehören unter anderem die Markierung und Zerstörung von Krankheitserregern: Erreger und Fremdkörper werden gekennzeichnet und das Immunsystem erhält damit die Information, welche Zellen bekämpft werden müssen. Die Zellmembran der markierten Zellen wird geschädigt und dadurch zerstört.7

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Das Komplementsystem

Das Komplementsystem ist ein Teil des Immunsystems. Es ist essenziell für die körpereigene Abwehr gegen Infektionen und besteht aus drei Aktivierungswegen.
Immunsystem mit 2 Verteidigungslinien –
angeborene und erworbene Abwehr

  • Immunsystem: wird unterteilt in die angeborene (unspezifische) und erworbene (spezifische) Abwehr1,4
  • Komplementsystem: zählt zu dem angeborenen und bildet eine wichtige Brücke zu dem erworbenen Immunsystem3,4
  • Angeborenes und erworbenes Immunsystem: spielen bei der Abwehr von Krankheitserregern perfekt zusammen. 5

Immunreaktionen

Aktivierung des Komplementsystems

Das Komplementsystem wird im Wesentlichen über drei verschiedene Wege - mit und ohne Beteiligung von Antikörpern - in Gang gesetzt: Über den klassischen Weg, den alternativen Weg oder den Lektin-Weg.

Komplementsystem –
3 Wege zur Aktivierung

 

  1. Klassischer Weg über Antigen-Antikörper-Komplexe
  2. Lektin-Weg über Mannose-bindendes Lektin (lösliche Kohlenhydrat-bindende Proteine)
  3. Alternativer Weg, spontan und Antikörper-unabhängig

Nach der Aktivierung folgt eine kaskadenartige Enzymreaktion, bei der sich Proteine nacheinander in die Reaktion einschalten wie fallende Dominosteine. 4

Ziel: Die Zerstörung der Krankheitserreger.

Wirkungsmechanismus Komplementaktivierung: Lektin-Weg, Klassicher Weg oder Alternativer Weg setzen das Komplementsystem in Gang mit dem Ziel, Krankheitserreger zu zerstören.Wirkungsmechanismus Komplementaktivierung: Lektin-Weg, Klassicher Weg oder Alternativer Weg setzen das Komplementsystem in Gang mit dem Ziel, Krankheitserreger zu zerstören.

Unabhängig vom Aktivierungsweg wird eine kaskadenartige Enzymreaktion ausgelöst, an deren Ende die Zerstörung der Zellmembran des Krankheitserregers steht.8 Man kann sich dies vorstellen wie bei einer Reihe von Dominosteinen, bei der durch den Fall eines Dominosteins der Sturz des nächsten Steins ausgelöst wird.

Entscheidend ist, dass diese Kettenreaktion kontrolliert verläuft. Reagiert das System fehlerhaft, kann eine unangemessene Aktivierung des Immunsystems erfolgen. Daher verfügt das Komplementsystem zusätzlich über Regulatoren, die eine überschießende Aktivierung verhindern. Nur ein austariertes Gleichgewicht aller beteiligter Faktoren führt zu einem gut funktionierenden Immunsystem.

komplementstörungen

Die Folgen verschiedener Komplementerkrankungen

Das komplexe Komplementsystem und seine fein regulierte Steuerung können an verschiedenen Stellen gestört sein. So kann z. B. ein Mangel an bestimmten Proteinen der Aktivierungskaskade vorliegen. Auch die Regulation des Komplementsystems kann betroffen sein, wodurch der Körper unter bestimmten Umständen mangelhaft oder überschießend reagiert.9

Da das Komplementsystem ein Teil des gesamten Immunsystems ist, können sich Störungen auf vielfältige Weise auf den Körper auswirken.

Bei dem atypischen Hämolytisch-Urämischem Syndrom (aHUS) werden durch eine übermäßige Komplementaktivierung Gefäßwände geschädigt, wodurch sich Blutgerinnsel in den kleinsten Gefäßen bilden und letztlich zu Organschäden führen.


Verminderte Immunabwehr durch Komplementdefekte

Wird ein Protein des Komplementsystems nicht oder nur in reduzierter Form gebildet, wird die Immunabwehr beeinträchtigt. Das kann eine verstärkte Anfälligkeit für Infektionserkrankungen zur Folge haben. Insbesondere die Krankheitserreger, die mit einer Kapsel umhüllt sind wie Pneumokokken und Meningokokken, können dann vom Körper nicht oder nur schlecht abgewehrt werden.3,4

Zum Teil zeigt sich bei den Patienten eine generelle Neigung zu Infektionen.6


Beteiligung des Komplementsystems bei Autoimmunerkrankungen

Bei manchen Erkrankungen wie der generalisierten Myasthenia gravis (gMG) oder den Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD), auch bekannt als Devic-Syndrom, wird das Komplementsystem durch sogenannte Autoantikörper aktiviert, so dass körpereigene Strukturen geschädigt werden.

In diesen Fällen ist der kaskadenartige Ablauf der Komplementreaktion nicht gestört. Da die Autoantikörper jedoch Zellen des eigenen Körpers markiert haben, richtet sich das Komplementsystem hier nicht gegen Krankheitserreger oder Fremdkörper, sondern die körpereigenen Zellen werden als fremd eingestuft. Damit fallen diese Erkrankungen in das Spektrum der Autoimmunerkrankungen, bei denen der Körper fälschlicherweise eigenes Gewebe angreift.10


Aktivierung des Komplementsystems durch verminderten Schutz körpereigener Zellen

Die menschliche Immunabwehr soll Krankheitserreger erkennen und zerstören, den eigenen Körper jedoch nicht angreifen. Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) haben spezielle Schutzproteine, die einen Angriff des Komplementsystems verhindern. Bei Patienten mit einer paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) fehlen diese Schutzproteine auf den Erythrozyten. Die Folge ist eine Zerstörung von roten Blutkörperchen durch einen Angriff des Komplementsystems.

 


Diagnose

diagnose

Komplementerkrankungen erkennen

Gezielt diagnostizieren und behandeln

 

  • Moderne Medizin ermöglicht detaillierte Testung auf komplement-vermittelte Erkrankungen. 7
  • Komplementinhibitoren können übermäßige Aktivierung verhindern und Kaskade unterbrechen. 8
Komplementinhibitoren verhindern die übermäßige Aktivierung des Komplementsystems
Patienten mit einer Komplementerkrankung können eine Reihe von unspezifischen Symptomen haben, die auch bei anderen Krankheiten auftreten können.3 Bis eine verlässliche Diagnose gestellt wird und eine entsprechende Therapie erfolgt, kann es mehrere Jahre dauern. Bei seltenen Erkrankungen suchen die Patienten oft zahlreiche Ärzte auf, bis die Krankheitsursache erkannt wird.5

Bei der Diagnosestellung werden unter anderem Symptome, Laborergebnisse und vorbestehende Erkrankungen, wie z. B. Autoimmunerkrankungen, berücksichtigt. Bei manchen Erkrankungen ist zusätzlich eine genetische Analyse angezeigt.
Diagnose

Behandlung

Therapie von Komplementerkrankungen

Bei der Behandlung von Komplementerkrankungen konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden.9 Durch den Einsatz von Komplement-Inhibitoren können die komplementvermittelten Erkrankungen

gezielt therapiert werden. Die Komplementinhibitoren verhindern eine übermäßige Aktivierung des Komplementsystems und unterbrechen gezielt die Komplementkaskade. Dadurch werden die Folgen einer unerwünschten Immunaktivierung verhindert und der Angriff des Immunsystems auf körpereigene Zellen gestoppt.

Kleinkind mit atypischen Hämolytisch-Urämischen Syndrom (aHUS)

Atypisches Hämolytisch-Urämisches Syndrom (aHUS)

Bild einer Nervenzelle - symbolisch für Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD)

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) / Devic-Syndrom

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen
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Unterstützung von Patienten und deren Angehörigen

Mit gezielter Aufklärung zu den verschiedenen Komplementerkrankungen, Erfahrungsberichten von Betroffenen und Hinweisen zu neuen medizinischen Entwicklungen möchten wir dazu beitragen, auf die Krankheiten aufmerksam zu machen und ihre Auswirkungen besser zu verstehen. Infoblätter und Patientenbroschüren vermitteln ausführliche Informationen über Ursachen, Symptome, Krankheitsverlauf und Behandlungsoptionen. Zusätzlich werden Wege aufgezeichnet, um den Umgang mit der Erkrankung und den Alltag zu erleichtern.

Für Patienten mit PNH steht ein Patiententagebuch zum Download bereit, um Blutwerte und Symptome zu dokumentieren.
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Glossar

Glossar

Glossar

Antikörper Eiweiße, die spezifische Strukturen an Zelloberflächen erkennen und binden können; Teile des Immunsystems
Atypisches Hämolytisch-urämisches Syndrom (aHUS) Seltene Erkrankung, bei der eine unkontrollierte und übermäßige Aktivierung des Komplementsystems auftritt. Auftretende Blutgerinnsel beeinträchtigen die Durchblutung und führen zu Organschäden. Detaillierte Informationen unter https://www.alexion.de/therapiegebiete/komplementerkrankungen/atypisches-haemolytisch-uraemisches-syndrom
Autoantikörper Antikörper, die an körpereigenen Zellstrukturen andocken; charakteristisches Merkmal von Autoimmunerkrankungen
Autoimmunerkrankungen Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet
Devic-Syndrom Alternative Bezeichnung der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD)
Enzymreaktion Biochemische Reaktion im Körper, die durch spezielle Eiweiße als Biokatalysator gesteuert werden
Immunabwehr / Immunsystem Abwehrsystem des Körpers gegen Krankheitserreger
Immunantwort Reaktion des körpereigenen Immunsystems auf Krankheitserreger und Substanzen, die als fremd eingestuft werden
Meningokokken Bakterien, die den Nasenrachenraum besiedeln und schwere Erkrankungen wie Hirnhautentzündungen und Blutvergiftungen auslösen können
Neuroimmunologie Lehre von entzündlichen und insbesondere autoimmunen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems, z.B. Multiple Sklerose (MS)
Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) Seltene schwerwiegende Erkrankungen des Zentralen Nervensystems. Detaillierte Informationen unter https://www.alexion.de/therapiegebiete/komplementerkrankungen/neuromyelitis-optica-spektrum-erkrankungen
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) Seltene chronische Erkrankung des blutbildenden Systems. Detaillierte Informationen unter https://www.alexion.de/therapiegebiete/komplementerkrankungen/paroxysmale-naechtliche-haemoglobinurie
Pneumokokken Gekapselte Bakterien, die u.a. Hirnhaut- und Lungenentzündung verursachen
Protein Eiweiß
Generalisierte Myasthenia gravis (gMG) Seltene chronische neurologische Autoimmunerkrankung. Detaillierte Informationen unter https://www.alexion.de/therapiegebiete/komplementerkrankungen/refraktaere-generalisierte-myasthenia-gravis
Wege der Komplementaktivierung
Die Komplementaktivierung kann über drei verschiedene Wege erfolgen:

Klassischer Weg: Andocken von Komplementproteinen an Antikörpern, die ihrerseits schon einen Krankheitserreger markiert haben. Start einer mehrstufigen Enzymreaktion. Ziel ist unter anderem die Bildung eines Membran-Angriffskomplexes zur Bekämpfung des markierten Krankheitserregers

Alternativer Weg: Direkte Anlagerung von Aktivierungsproteinen (C3b) an Mikroorganismen, geschädigtes Gewebe oder körperfremde Materialien ohne Einbeziehung von Antikörpern. Eine Aktivierung kann auch durch eine spontane Initiierung erfolgen, d.h. ohne Fremdkörperkontakt kann die Gerinnungskaskade durch eine spontane Hydrolyse der Startproteine ausgelöst werden.

Lektin-Weg: Anlagerung von Aktivierungsproteinen an Zuckergruppen, die auf der Bakterienoberfläche sitzen. Ziel ist die Zerstörung des angegriffenen Bakteriums.

Referenzen

  1. Göschl, L., Vossen, M., Scheinecker, C. et al. Diagnostik und Therapie bei primären Immundefekten/„inborn errors of immunity“. Wien. Klin. Wochenschr. Educ 14, 65–79 (2019). https://doi.org/10.1007/s11812-020-00098-1

  2. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/immunologie/diagnostik-und-dienstleistungen/komplementdiagnostik/ueberblick-komplementdiagnostik/komplementsystem [04.10.2023]
  3. Tudoran, R., Kirschfink, M. (2012). Moderne Komplementanalytik Indikationen – Methodik – Perspektiven/Modern complement analysis: indications, methods and outlook. J Lab Med 2012;36(3):125–134. https://doi.org/10.1515/labmed-2012-0003.

  4. Pettigrew, H.D., Teuber, S.S. and Gershwin, M.E. (2009), Clinical Significance of Complement Deficiencies. Annals of the New York Academy of Sciences, 1173: 108-123. https://doi.org/10.1111/j.1749-6632.2009.04633.x

  5. Evans, W.RH, Rafi I. Rare diseases in general practice: recognising the zebras among the horses. British Journal of General Practice 2016; 66 (652): 550-551. DOI: 10.3399/bjgp16X687625

  6. Kirschfink M. (2014). Komplementsystem und Komplementdefekte. Pädiatrie: Grundlagen und Praxis, 738–743. https://doi.org/10.1007/978-3-642-41866-2_77

  7. Carroll, M. The complement system in regulation of adaptive immunity. Nat Immunol 5, 981–986 (2004). https://doi.org/10.1038/ni1113

  8. Sarma, J.V., Ward, P.A. The complement system. Cell Tissue Res 343, 227–235 (2011). https://doi.org/10.1007/s00441-010-1034-0

  9. Melis, J. P., Strumane, K., Ruuls, S. R., Beurskens, F. J., Schuurman, J., & Parren, P. W. (2015). Complement in therapy and disease: Regulating the complement system with antibody-based therapeutics. Molecular Immunology, 67(2, Part A), 117-130. https://doi.org/10.1146/annurev.anthro.33.070203.144008

  10. Daha, Nina A., Nirmal K. Banda, Anja Roos, Frank J. Beurskens, Joost M. Bakker, Mohamed R. Daha, und Leendert A. Trouw. Complement Activation by (Auto-) Antibodies. Molecular Immunology 48, Nr. 14 (August 2011): 1656–65. https://doi.org/10.1016/j.molimm.2011.04.024.

Weitere Quellen

https://www.kispi.uzh.ch/de/patienten-und-angehoerige/fachbereiche/immunologie/Seiten/Komplementdefekte.aspx [27.04.2021]

Nesargikar, P., Spiller, B., & Chavez, R. (2012). The complement system: History, pathways, cascade and inhibitors, European Journal of Microbiology and Immunology, 2(2), 103-111. https://akjournals.com/view/journals/1886/2/2/article-p103.xml [27.04.2021]

https://www.imd-berlin.de/fachinformationen/diagnostikinformationen/komplementdefekte.html [27.04.2021]


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