Leben mit aHUS
Das atypische Hämolytisch-Urämische Syndrom, kurz aHUS, ist eine seltene und komplexe Erkrankung, die das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen kann.
Was genau hinter der Erkrankung steckt, wie die Symptome und Diagnose aussehen und weitere wichtige Infos finden Sie unter „Was ist aHUS?“ und in unserem Erklärvideo zum Thema.
Der Weg von den ersten Symptomen bis zur Therapie
Die Patient:innen-Perspektive
Jeder Mensch mit aHUS macht seine ganz eigenen Erfahrungen mit der Erkrankung. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Auslöser („Trigger“) dieser Erkrankung sehr vielseitig sind. Daher gibt es keinen „typischen" Weg, der von den ersten Symptomen bis zur korrekten Diagnose und der anschließenden Therapie führt. Wie der Umgang mit der Erkrankung im Einzelfall aussehen kann, zeigt die persönliche Geschichte von Neele.
Der Alltag mit aHUS
Das Leben mit aHUS kann sich auf viele Bereiche des täglichen Lebens auswirken. Diese Herausforderungen können zwar anspruchsvoll sein, aber sie bedeuten nicht, dass man auf Lebensqualität verzichten muss. Mit den richtigen Strategien und Tipps kann man trotz aHUS ein erfülltes Leben führen.
Wie ernähre ich mich bei einer Nierenerkrankung?
- Die Ausscheidung von Abfallprodukten aus dem Eiweißstoffwechsel
- Die Aufrechterhaltung eines konstanten Wasser- und Salzhaushalts
- Regulierende Aufgaben für Blutbildung und Knochenstoffwechsel
Eine dem Stadium der Erkrankung angepasste Diät kann dazu beitragen, dass ein Fortschreiten der Nierenerkrankung verlangsamt wird.
Kann Bewegung bei einer Nierenerkrankung helfen?
Schädigungen der Nieren sind eine häufige Folge des aHUS. Zwar kann Bewegung ein Voranschreiten der Nierenerkrankung nicht aufhalten, allerdings kann dadurch das eigene Wohlbefinden positiv beeinflusst werden und somit ist sie eine sinnvolle Ergänzung zur medizinischen Versorgung.
Die Grundvoraussetzung dafür ist ein individuelles, vom Arzt verordnetes und von einem Physiotherapeuten geleitetes Bewegungsprogramm. Halten Sie also in jedem Fall Rücksprache mit Ihren behandelnden Ärzt:innen, um das optimale Training zu finden und Risiken zu minimieren.
Häufig führt die eingeschränkte Nierenfunktion nicht nur zu einem verminderten Wohlbefinden, sondern auch zu einer erhöhten Ermüdbarkeit und einer generell verminderten Leistungsfähigkeit. Körperliche Ertüchtigung hat einen gesundheitsfördernden Effekt und kann dabei helfen, den Bewegungsanforderungen des Alltags standzuhalten. Zudem lässt sich durch Bewegung unter Umständen das Auftreten von Komplikationen des Nierenleidens sowie Begleiterkrankungen vermeiden.
Unterstützung für Betroffene und Angehörige
Anlaufstellen
Neben den behandelnden Ärzt:innen gibt es noch weitere Anlaufstellen, um sich über die Erkrankung zu informieren
Sozialrechtliche Infos
Krankheits- und behandlungsbedingte Einschränkungen bei aHUS Patient:innen können die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben einschränken. Damit dadurch keine Nachteile aufkommen gibt es verschiedene Hilfs- und Rehabilitationsleistungen. Diese sollen die Reintegration in Familie, Beruf und Gesellschaft erleichtern. Die verschiedenen Hilfen und Maßnahmen fallen unter das Sozialrecht.
Um sozialrechtliche Aspekte zu klären ist es immer wichtig, dass die betreuenden Ärzte, Rehabilitations- und Sozialmediziner sowie Betriebsärzte, Psychoonkologen und sämtliche Fachkräfte der Sozialen Arbeit im stationären und ambulanten Umfeld der Betroffenen mitarbeiten.
Zudem hat jedes Bundesland eigene Regelungen in Bezug auf sozialrechtliche Aspekte und jede Krankenkasse bietet verschiedene Leistungen an. Auf den Webseiten der Gemeinde, des Bundeslandes sowie der Krankenkassen gibt es genauere Informationen und der örtliche Sozialdienst oder die aHUS-Selbsthilfgruppe können oft mit ihren Beratungsangeboten weiterhelfen.
Welche Sozialleistungen gibt es und wer hat Anspruch?
Anspruch auf Sozialleistungen hat fast jeder Mensch– auch ohne aHUS. Zu diesen Sozialleistungen gehören zum Beispiel Grundsicherung, Hilfe zur Gesundheit und Pflege, Ausbildungsförderung oder auch Kinder- und Wohngeld. Entsprechend der jeweiligen Leistung wird ein Antrag über die Krankenkasse, das Sozialamt oder die Rentenversicherung gestellt.
Weitere Infos zum Thema Sozialversicherung gibt es hier.
Wer kann mich zu meinem persönlichen Anspruch beraten?
In fast jeder Behörde gibt es Beratungsstellen, die einem helfen. Es ist also ratsam, als erste Anlaufstelle ein persönliches Gespräch direkt vor Ort zu führen, beispielsweise bei der örtlichen Sozialrechtsberatung. Für Eltern von Kindern mit einer Behinderung gibt es zudem die Familienberatung, die über gesonderte Ansprüche auf Sozialleistungen aufklärt. Online finden sich Beratungsmöglichkeiten auf der Website www.familienratgeber.de oder auf der Seite der Caritas.
Welche Ansprüche habe ich mit aHUS im Bereich der Pflege?
Sobald deutlich wird, dass eine gesundheitliche Einschränkung länger als 6 Monate andauert, kann bei der Pflegekasse ein Antrag auf Leistungen gestellt werden. Dafür prüft ein medizinischer Dienst den Anspruch durch eine Begutachtung. Im Gutachten stehen neben der Pflegegradempfehlung auch Hinweise zu Präventionsmaßnahmen, zur Rehabilitation und zu notwendigen Heil- und Hilfsmitteln, die aufgrund der Erkrankung an aHUS benötigt werden. Die Begutachtung deckt die Beeinträchtigung einer Person in sechs Lebensbereichen ab und ist ab dem 11. Lebensjahr gültig.
Wenn einem Antrag stattgegeben wurde, können durch die Pflegekasse Geld- und Sachleistungen erfolgen, wie beispielsweise die Zahlung von Pflegegeld oder finanzielle Zuschüsse für Umbaumaßnahmen. Ein:e Pflegeberater:in mit speziellen Fachkenntnissen im Sozial- und Sozialversicherungsrecht kann individuell mehr zu den Ansprüchen sagen. Die Beratungsstellen und Sozialämter der Kreise und Städte bieten die Pflegeberatung genauso an wie Pflegekassen. Weiteres dazu finden Sie auch unter www.pflege.de oder auf den Seiten der Verbraucherzentrale.
Habe ich mit aHUS Anrecht auf einen (Schwer-)Behindertenausweis?
Hinweise zur Antragsstellung
Es gibt:
- Patientenvereinigungen
- aHUS Selbsthilfe
- Sozialverband Deutschland
- Angebote der Krankenkassen
- Bundesverband Niere
aHUS bei Kindern – Infos für Eltern und Angehörige
aHUS bei Kindern
Die Erfahrung von Krankheiten in jungen Jahren stellt sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Familien eine besondere Herausforderung dar. Da einige Krankheiten bereits früh im Leben auftreten können, ist es wichtig, spezifische Aspekte im Umgang mit jungen Patient:innen zu berücksichtigen:
- Machen Sie Arzttermine für Ihr Kind angenehmer, indem Sie vorher erklären, was passieren wird. Das hilft dem Kind, sich auf die Situation vorzubereiten. Bestätigen Sie auch seine Gefühle zum Arztbesuch; es ist normal, dabei Angst zu haben.
- Darüber hinaus ist es auch bei kleinen Kindern hilfreich, Spielzeug, Bücher, Malsachen etc. zur Ablenkung im Wartezimmer mitzunehmen.
- Informieren Sie Lehrkräfte in der Schule, um so für mehr Verständnis für die Situation des Kindes zu sorgen und dadurch Mobbing als zusätzliche Belastung vorzubeugen.
- Ermöglichen Sie Ihren Kindern, mit zunehmendem Alter mehr Einfluss auf ihre Behandlung zu nehmen. Indem sie aktiv mitwirken, stärken Jugendliche ihr Selbstvertrauen. Ermutigen Sie sie, Fragen zu stellen und Bedenken während der Arzttermine zu äußern. So lernen sie, ihre Krankheit verantwortungsbewusst und mit Ihrer Unterstützung zu managen.
Besonderheiten im Sozialrecht
Für Kinder und Jugendliche gibt es besondere Unterstützungsmöglichkeiten. Grundsätzlich gilt: Je früher die Erkrankung und ihre Auswirkungen erkannt werden, desto eher können Angebote zur Therapie und Hilfe im Alltag beansprucht werden.
Schwangerschaft und aHUS
Schwangerschaft trotz aHUS
Eine erfolgreiche Schwangerschaft ist für aHUS-Patientinnen unter ärztlicher Begleitung und mit entsprechender Vorbereitung durchaus möglich. Dennoch bestehen einige Risiken:
- Es kann trotz einer Therapie zu einem erneuten Auftreten der Erkrankung kommen (sogenanntes TMA- oder aHUS-Rezidiv*). Studien zeigen: In 20 % der Fälle kann eine Schwangerschaft oder Geburt der Auslöser für eine TMA sein*, was ein zusätzliches Risiko für die Schwangere und das ungeborene Kind sein kann.
- Es besteht ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsvergiftungen (Präeklampsie) und für eine Frühgeburt.
Schwangerschaften von aHUS-Patientinnen sind immer Risikoschwangerschaften, da die Nierenfunktion oft eingeschränkt ist, eventuell eine Dialysepflicht besteht, möglicherweise eine Nierentransplantation vorangegangen ist und eine Schwangerschaft ein TMA-Auslöser sein kann.
Kann die aHUS-Therapie während der Schwangerschaft und Stillzeit fortgeführt werden?
Eine medikamentöse Therapie kann in der Schwangerschaft zum Schutz Ihrer Gesundheit und der Ihres ungeborenen Kindes sinnvoll sein. Deswegen ist eine engmaschige medizinische Kontrolle während der Schwangerschaft unbedingt erforderlich (da Schwangerschaften TMAs auslösen können). Wenn Sie nach der Geburt das Kind stillen möchte, sollte das mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin besprochen werden. Dadurch wissen Sie, worauf zu achten ist. Grundsätzlich ist es wichtig, offen und frühzeitig mit Ihrem Arzt oder Ihre Ärztin zu sprechen. Dann kann für Sie ein optimaler Therapieplan unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Situation erstellt werden. Risiken für Sie und das ungeborene Kind während der Schwangerschaft und Stillzeit werden so reduziert.
Wird aHUS an meine Kinder weitervererbt?
Eine aHUS-Veranlagung kann genetisch bedingt sein und dann auch vererbt werden. Auch bei einer Vererbung bedeutet das aber nicht zwangsläufig, dass die Erkrankung auch ausbricht. So erkranken z. B. selbst bei einer besonders schwerwiegenden Mutation, der sogenannten CFH-Mutation, nur 30–50 % der Träger:innen an einem aHUS. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin kann Sie bei der Abschätzung Ihres individuellen Risikos unterstützen.
Der aHUS Awareness-Day
Seit 2015 findet jährlich am 24. September der von der aHUS Alliance ins Leben gerufene aHUS Awareness Day statt. Bei der globalen Aktion geht es darum, mit umfassenden Informationsmaterialien das Bewusstsein für das atypische Hämolytisch-Urämische Syndrom (aHUS) zu schärfen. Dabei wird neben den Bedürfnissen von Patient:innen auch die Perspektive von Pfleger:innen und Ärzt:innen berücksichtigt.
Der 24. September 2015 wurde als Startdatum für den ersten aHUS Awareness Day ausgewählt, um an die 60-jährige Geschichte der Erwähnung des Hämolytisch-Urämischen Syndroms in der medizinischen Fachliteratur zu erinnern. Diese Bezeichnung wurde erstmalig von Conrad von Gasser verwendet, als er und sein Team in einem Artikel für eine Schweizer Medizinzeitschrift die von ihnen erforschte Krankheit beschrieben, die durch Blutgerinnungsstörungen, Anämie und Nierenversagen gekennzeichnet ist.
Der Austausch kann auch über Internetcommunitys erfolgen. Unter den folgenden Adressen haben Betroffene, wie auch Angehörige die Möglichkeit mit anderen ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen:
Glossar
Rezidiv | Rückfall |
Autoantikörper | Antikörper sind Proteine, die vom Immunsystem gebildet werden, Erreger wie Viren oder Bakterien erkennen und diese bekämpfen. Autoantikörper richten sich gegen den eigenen Körper und können Krankheiten verursachen oder verschlimmern. |
Anämie | Bei einer Anämie verfügt der Körper nicht über genügend rote Blutzellen und wird daher nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt (siehe Erythrozyten und Hämoglobin); Symptome einer Anämie: Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Schwäche, Antriebslosigkeit, Verlust an Leistungsfähigkeit. |
Antikörper | Eiweiße, die spezifische Antigene erkennen und binden können; Teile des Immunsystems. |
Atypisch | Nicht der Norm entsprechend. |
Blutzellen | Erythrozyten (rote Blutzellen), Leukozyten (weiße Blutzellen) und Thrombozyten (Blutplättchen) |
Dialyse | Verfahren zur Blutreinigung, wenn die Nieren nicht mehr funktionieren. |
Mutation | Veränderung einer Erbanlage; diese kann erworben werden oder angeboren sein (siehe auch Genmutation). |
Protein | Eiweiß |
Syndrom | Unterschiedliche Symptome, die zusammen in einem Muster auftreten und somit bestimmte Erkrankungen aufzeigen. |
Thrombotische Mikroangiopathie (TMA) | Erkrankung der kleinen Gefäße (von griechisch: mikro = klein, Angiopathie = Gefäßkrankheit) durch einen Pfropf (griechisch: Thrombus) in Folge einer Gefäßwandschädigung und der Aktivierung von Thrombozyten; es kommt zu Blutgerinnseln und einer gleichzeitigen entzündlichen Reaktion, die zusammen die kleinsten Blutgefäße im Körper beschädigen. |
Urämie | Anreicherung des Blutes mit für den Organismus schädlichen und giftigen Stoffwechselprodukten; Hinweis auf einen Verlust der Nierenfunktion; Symptome einer Urämie sind Übelkeit, Erbrechen, ein metallischer Geschmack im Mund sowie Muskelschmerzen und Schwellungen. |