Fachwissen NF1 - Patientin mit plexiformen Neurofibromen

Plexiforme Neurofibrome

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Zu den schwerwiegenden Manifestationen der NF1 gehören u. a. plexiforme Neurofibrome (PN), da sie zu schweren Komplikationen führen können. Sie können sich in jeder peripheren Nervenscheide entwickeln und im Kindes- und Jugendalter ein zunehmend starkes Wachstum aufweisen. Dabei können sie eine erhebliche Größe erreichen. 

Davon abzugrenzen sind kutane Neurofibrome. Hierbei handelt es sich um gutartige Tumoren an der Nervenscheide, die jedoch nur kutan oder subkutan präsent sind. Kutane Neurofibrome sind klein und es besteht die Möglichkeit, abhängig von Anzahl und betroffener Körperregion, diese chirurgisch zu entfernen. Kutane Neurofibrome haben im Gegensatz zu PN kein Risiko zur Malignisierung.ref_Poplausky_2023ref_Ozarslan_2021

Wieso ist es wichtig, plexiforme Neurofibrome (PN) früh zu erkennen?

PN kommen bei ca. 30–56 % der NF1-Patientinnen und -Patienten vor.ref_Prada_2012ref_Plokin_2012ref_Mautner_2008 Es handelt sich um embryonal angelegte, oft asymptomatische, benigne Tumoren. Davon sind ca. 42 % nicht sichtbar.ref_Plokin_2012 PN sind mit einem hohen Entartungsrisiko assoziiert: 8–13 % der Betroffenen entwickeln maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST).ref_Gross_2018 Mit MPNST, die sich aus NF1-assoziierten PN entwickeln können und mit hoher Wahrscheinlichkeit metastasieren, ist eine sehr ungünstige Prognose verbunden.ref_Gross_2018


In einer Kohorte pädiatrischer Patient:innen (im Alter 3-18 Jahre) mit symptomatischen, inoperablen NF1-bedingten PN (N=93) zeigten sich keine klinisch bedeutsamen (≥20 %) Verringerungen des PN-Volumens im natürlichen Verlauf.ref_Gross_2013

NF1 PN-Tumorwachstum über 3 Jahre in einer Kohorte pädiatrischer Patient:innen (im Alter 3-18 Jahre) mit symptomatischen, inoperablen NF1-bedingten PN (N=93).†, ref_Gross_2020ref_Gross_2020_02
76% (N=71) der Patient:innen hatten eine Zunahme des PN-Volumens von ≥20 % über den gesamten Beobachtungszeitraum (mediane Zeit 6,8 Jahre, Spanne 1–17,7 Jahre).‡,ref_Gross_2020_02
Bei 43 % (N=40) der Patient:innen zeigte sich ein PN-Wachstum von ≥20 % pro Jahr.†, ref_Gross_2020_02
93 Patient:innen werden in dieser Darstellung für die Natural-History Kohorte präsentiert. Die vollständige Natural History-Analysegruppe umfasst alle Patient:innen mit NF1-bezogenen PN (alle Altersgruppen), bei denen es mindestens 2 volumetrische MRT-Scans gibt.6 Die altersangepasste Kohorte umfasst eine Untergruppe der vollständigen Natural History-Analysegruppe, einschließlich der Patient:innen mit mindestens 2 volumetrischen MRT-Scans, bei denen der erste Scan, der innerhalb der Altersgruppe 3-18 Jahre erfolgte, als Behandlungsbeginn betrachtet wurde.‡, ref_Gross_2018
Die Mehrheit der PN wuchs stetig im Zeitverlauf oder blieb im besten Fall stabil (<20 % Volumenveränderung ab Behandlungsbeginn)ref_Gross_2018

Plexiforme Neurofibrome (PN): Hohe Variabilität & frühes Wachstum 

PN können sich in den Nervenscheiden peripherer Nerven des gesamten Körpers entwickeln.ref_Gross_2018ref_Dombi_2013 Wie die folgende Abbildung zeigt (modifiziert nachref_Gross_2018), sind die häufigsten Manifestationsorte Kopf, Extremitäten, Nacken und Rücken bzw. der Wirbelsäulenbereich. 
Je nach Lage und Wachstum steigt das Risiko von Schmerzen sowie motorischer und funktioneller Defizite. Das Sehen und Hören kann beeinträchtigt sein sowie lebenswichtige Organe und Gefäße komprimiert werden.ref_Vision_2017ref_Hearing_2024ref_Pain_2022 Symptomatische PN beeinträchtigen zudem die Lebensqualität der Betroffenen (Quality of Life, QoL).ref_Hersch_2008

Der Patient:innen hatten >1 PN-bezogene Morbidität, die zu Behandlungsbeginn mit Schmerzen, motorischer Funktionsstörung, Sehstörungen oder Morbidität des Darms, der Blase oder der Atemwege verbunden war.ref_Gross_2018

Eine Analyse der NF1-PN-Patient:innen, bei denen mindestens über 7 Jahre Follow-up-Daten zur Verfügung standen (N=41, medianes Alter bei Einschluss 13 Jahre), zeigte, dass Morbiditäten im Zusammenhang mit PN im Zeitverlauf häufiger wurden und fast nie spontan zurückgingen oder sich verbesserten.ref_Gross_2018

Welche Therapieoptionen gibt es bei PN?

Die einzige potenziell kurative Therapie ist eine Operation. Eine Komplettresektion ist jedoch in vielen Fällen nicht möglich:

 

 

Infiltratives Wachstum

  • PN sind zum Teil unregelmäßig geformt und es besteht eine Tendenz zur Infiltration über die Nervenscheide hinaus in die umliegenden Gewebeschichten.ref_Fox_2012
  • Selbst eine teilweise Entfernung kann schwierig sein, Wenn der Tumor sich mit vitalem Gewebe oder Nerven verflochten hat.ref_korf_2005
 

Schwierige Lokalisierungen

  • PN sind häufig an chirurgisch schwierigen Stellen wie dem Kopf, Nacken oder der Wirbelsäule lokalisiert.ref_korf_2005
  • Im Plexus brachialis - dem Netzwerk aus Nerven, die Arme und Hände mit dem Rückenmark verbinden - lokalisierte PN lassen sich unter Umständen nur schwer ohne Funktionsverlust oder eine resultierende schwere Behinderung vollständig entfernen.ref_korf_2005
 

Hohe Vaskularität

  • PN sind häufig vaskularisiert oder von Blutgefäßen durchzogen, so dass während der Operation ein erhöhtes Blutungsrisiko und die Notwendigkeit für Transfusionen bestehen.ref_Canavese_2011
  • Hämatome, die Ansammlung von Blut im Bereich des Eingriffs, sind eine häufige Komplikation der Operation.ref_korf_2005
     
Eine weitere Option bietet eine zielgerichtete medikamentöse Therapie zur Behandlung von symptomatischen, inoperablen PN.

Studienergebnisse: Schmerzen & motorische Dysfunktion häufig bei PNref_Gross_2018

In einer retrospektiven Untersuchung wurde der natürliche Krankheitsverlauf von Patientinnen und Patienten mit NF1 mit besonderem Fokus auf PN evaluiert.

Es zeigte sich, dass PN-bezogene funktionelle Symptome bei NF1-Betroffenen ein klinisch bedeutsames Problem darstellen. Die Symptome entwickeln sich häufig in einem frühen Alter. Zudem ist eine spontane Besserung der Symptomatik bei wachsenden PN sehr unwahrscheinlich.

Studiendetails

Ziel der Studie war es, herauszufinden, ob ein zunehmendes PN-Volumen mit einer Zunahme von PN-assoziierten Symptomen verbunden ist. In die Analyse eingeschlossen wurden 41 Patientinnen und Patienten mit insgesamt 57 verschiedenen PN, von denen

  • die klinischen Daten über einen Zeitraum von mindestens 7 Jahren und
  • Messungen der PN-Volumina an mindestens 2 verschiedenen Zeitpunkten vorlagen.

Die erste Messung der PN-Volumina wurde als Baseline-Volumen definiert. Verglichen wurde dieser Wert mit dem maximal gemessenen Volumen je PN.

Das mediane Alter der Betroffenen bei der ersten Messung der PN-Volumina (Baseline-Messung) betrug 8 Jahre. Erfasst wurden die mit PN-assoziierten Symptome wie Schmerz, motorische Dysfunktion und Sehverlust sowie die mit PN-assoziierten Operationen. 

 

Wichtige Ergebnisse der Studie:

  • Zum Zeitpunkt der Baseline-Messung bestand bei 40 PN mindestens 1 PN-assoziiertes Symptom. 
  • Die Mehrheit der PN war mit klinisch relevanten Symptomen assoziiert, die sich bereits zum Zeitpunkt der Baseline-Messung und somit im frühen Alter (median: 8 Jahre) manifestiert hatten. 
  • Zum Zeitpunkt der Baseline-Messung waren die häufigsten PN-assoziierten Symptome Schmerz (n = 21; 37 % der PN) und motorische Dysfunktion (n = 11; 19 %, Abb. 1). 
  • Eine Zunahme des PN-Volumens während des Krankheitsverlaufs ging mit einem Anstieg der Schmerzen und der motorischen Dysfunktion einher. 

Auftreten PN-assoziierter Symptome und PN-assoziierter Operationen bei der Baseline-Messung und bei der Messung, in der die PN das größte Volumen (Maximum-Messung) erreicht hatten. Modifiziert nachref_Gross_2018

Fazit der Autor:innenref_Gross_2018
Laut der Autorenschaft veranschaulicht die retrospektive Analyse, dass PN-bezogene funktionelle Symptome bei NF1-Betroffenen ein klinisch bedeutsames Problem darstellen. Die Symptome entwickeln sich häufig in einem frühen Alter. Zudem ist eine spontane Besserung der Symptomatik bei wachsenden PN sehr unwahrscheinlich. Die Autorinnen und Autoren schlussfolgern, dass es sinnvoll wäre, longitudinale Evaluierungen hinsichtlich PN-Symptome in zukünftige klinische Studien zu integrieren.  

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Referenzen

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  1. Ozarslan, B., Russo, T., Argenziano, G., Santoro, C., & Piccolo, V. (2021). Cutaneous Findings in Neurofibromatosis Type 1. Cancers, 13. https://doi.org/10.3390/cancers13030463.
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